Lern- und Erinnerungsort für die Opfer der Zwangsfürsorge im Nationalsozialismus in Hamburg
Das Versorgungsheim Farmsen diente ab 1933 und bis weit in die Nachkriegszeit hinein als „Bewahranstalt“ für bis zu 2100 als „asozial“ abgewertete Fürsorgeempfänger*innen – darunter Bettler*innen, Wohnungslose, Sexarbeiter*innen und Alkoholkranke. Der Direktor der Hamburger Wohlfahrtsanstalten Georg Steigertahl pferchte sie unter Ausbeutung ihrer Arbeitskraft so kostengünstig wie möglich zusammen. Die politische Verantwortung trug Oskar Martini, Leiter der Hamburger staatlichen Fürsorge. Zahlreiche Insass*innen waren entmündigt, als Sammelvormundin für Frauen* fungierte die Beamtin Käthe Petersen. Nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ 1934 wurden zudem viele Eingewiesene zwangssterilisiert. Manche rebellierten gegen die Gewaltmaßnahmen, versuchten zu fliehen oder nahmen sich aus Verzweiflung das Leben.
Nach Kriegsende 1945 änderte sich kaum etwas für die Opfer der Zwangsfürsorge. Sie blieben entmündigt und durften die Anstalt nicht verlassen. Die Verantwortlichen für ihr Leid dagegen mussten keine Konsequenzen befürchten und blieben überwiegend im Amt. Heute befinden sich auf dem Gelände unter anderem eine Pflegeeinrichtung, eine Kindertagesstätte sowie Wohngruppen für psychisch erkrankte Menschen.
In den 1980er-Jahren lenkten die „Projektgruppe für die vergessenen Opfer des NS-Regimes“ und weitere Hamburger Initiativen die Aufmerksamkeit auf die „Kehrseiten der Wohlfahrt“, die fortgesetzte Verfolgung sozialer marginalisierter Menschen auch nach 1945 sowie die ausbleibende Entschädigung. Ein staatliches Gedenken fand in Farmsen erstmals am 27. Januar 2013 auf Initiative der Bezirksversammlung Wandsbek statt. 2019 erklärten die beiden Nachfolgeunternehmen der Hamburger Wohlfahrtsanstalten, F&W Fördern & Wohnen AöR sowie Pflegen & Wohnen Hamburg GmbH, im Zuge des 400-jährigen Jubiläums der Hamburger Wohlfahrtspflege ihre Absicht, auf dem Farmsener Areal einen Lern- und Gedenkort für die Opfer der NS-Zwangsfürsorge in Hamburg zu errichten. Stolpersteine erinnern bereits an in der Anstalt umgekommene Insass*innen.